Dunkelheit

[Sindira]

Es war dunkel. Dunkel wie nichts, was sie je zuvor gesehen, nein gespürt hatte. Vorsichtig drehte sie sich im Kreis und versuchte, etwas zu ertasten. Irgendetwas, eine Wand, ein Widerstand, irgendetwas. Doch da war nichts. Nichts außer dieser seltsamen Dunkelheit. Seltsam war sie, doch trotzdem fühlte sie sich geborgen. Schon immer mochte sie die Dunkelheit. Sie war geheimnisvoll, düster, und magisch. Abends, wenn sie nicht einschlafen konnte, erzählte sie ihr Geschichten, von den Dingen, die in dem tiefsten Winkel ihrer Seele schlummerten, als würden sie nur darauf warten, ausgesprochen zu werden. Manchmal machten sie ihr Angst. Manchmal waren sie wie kleine Dämonen mit stechenden roten Augen, die sie verspotteten und erschreckten. Ja sie mochte die Dunkelheit.
Mehr als das Licht. Das Licht war vergänglich und nur das Nicht-Vorhandensein der Dunkelheit. Wie wenn die Mutter ihr Kind verlässt. Das Licht war dennoch wichtig. Das hatte sie mit der Zeit begriffen. Im Licht sieht man klarer. Und im Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher als das Licht.
Plötzlich wurde sie müde, unendlich müde. Sie sank in die warme, umhüllende Dunkelheit und sah sich selbst, das heißt ihre Seele. Sie erschrak. Versuchte aufzustehen. Kämpfte verzweifelt um ihr Gleichgewicht. Doch da war kein Boden, nichts auf dem sie hätte stehen können. Aber sie fiel auch nicht. Sie schwebte einfach in der Luft. Tränen liefen über ihr Gesicht und sie spürte Panik in sich aufsteigen. Dann hörte sie eine Stimme: „Fürchte dich nicht. Es ist alles gut. Du bist da, wo nur wenige Menschen hinkommen. Du bist bei mir. Und gleichzeitig nirgendwo. Du bist hier und gleichzeitig nicht da. Doch du brauchst dich nicht zu fürchten.“
Samtene Dunkelheit umfing sie. Wurde umschlossen von dumpfen Nebeln. Und sie begriff.